Dienstag, 9. August 2011

Das Alltagsleben eines Polizisten (Satire)

©thaianonymus 2010

In Europa hatte ich mir einmal angewöhnt, beim "Alltagsleben eines Polizisten’"ein gewisses Mitleid für jene Leute zu empfinden, die sich im Dienste ihres Volkes jedem Wetter und allen denkbaren Gefahren aussetzen. In Thailand hat sich das aber entschieden geändert.

Ich muss es zugeben; das Alltagsleben thailändischer Polizisten erfüllt mich überhaupt nicht mit Mitleid, sondern eher mit ein wenig Freude. War ich doch früher im Kampf gegen Langeweile auf Kriminalromane angewiesen, die ja nicht nur Geld kosten, sondern zudem in ihren stereotypen Handlungsabläufen letztlich ja auch langweilig wurden. Doch dank der bunten Schilderungen der phantasievollen Gestaltungen des Alltagslebens thailändischer Polizisten sind die Darstellungen krimineller Handlungen für mich wieder interessant geworden. Was lassen sie sich nicht alles einfallen.

Vom Diebstahl angefangen, über Razzien, Raub, Betrug, Bankraub, Überfall, Vergewaltigung, Misshandlung, Erpressung, Drogenhandel, Mord, Menschenraub, Menschenhandel, alles, was ein echtes Verbrecherherz sich nur ausdenken und wünschen kann. Diese Nachrichten mit reichhaltiger Abwechslung bieten mir ununterbrochene Unterhaltung.

Freilich kann ich mich nicht mehr auf die Straße trauen, denn diese Polizisten sind überall präsent und auch Farang sind beliebte Ziele ihres Tatendrangs. Ich weiß auch nicht, wen ich zur Hilfe rufen soll, wenn ich es mit Polizisten zu tun habe. Es bliebe ja nur die Feuerwehr, aber die ist selbst hilflos, unbewaffnet. Den Sanitätsdienst anzurufen, jener, der ansonsten die Leichen im Straßenverkehr aufsammelt, werde ich wohl keine Gelegenheit haben und ich muss gestehen, dass ich an deren Dienstleistung kein gesteigertes Interesse verspüre. So bleibe ich denn zu hause und genieße die thailändische Demokratie in meinem Wohnzimmer mit den abwechslungsreichen Nachrichten über das Alltagsleben thailändischer Polizisten.

Hinter verschlossenen Türen muss man diese Leute bewundern, ist es ihnen doch gelungen, den Wunschtraum eines großen Teils der thailändischen Bevölkerung zu verwirklichen, da jeweils nur wenige geeignet erscheinende Bewerber aus den Massen der sich zu dieser sicheren Laufbahn meldenden Bewerber angenommen werden. Die thailändischen Unberührbaren, die selbst bei Mord nur selten einmal von einem Richter belangt werden, haben bei einer relativ guten Entlohnung bei einer angenehmen Tätigkeit eine Machtfülle, die der Wunschtraum vieler Thai ist.

Der Eindruck, dass sie Volkshelden sind, verstärkt sich, wenn man sieht, welch vornehmen Abstand die Bevölkerung vor diesen Leuten hält, die über alle Gesetze und jede Moral erhaben zu sein scheinen und deren Handlungsweisen weit über das Vorstellungsvermögen normaler Bürger hinausgehen.

Doch uns fehlen einige Einzelheiten, um das Alltagsleben von Polizisten zu verstehen. Es reicht nicht, zu wissen, dass einige Polizeigeneräle ein Milliardenvermögen ansparten, denn nicht jeder Polizist wird General. Dass Thaksin den Grundstock für sein Vermögen als Polizist erworben hat, reicht auch nicht, denn nicht jeder Polizist wird Ministerpräsident, und ein kleiner Polizist erhält im Monat nur 7.000 – 12.000 Baht.

Weil dieses Gehalt so niedrig ist - in etwa nur das Doppelte von dem, was vielleicht eine Verkäuferin oder ein kleiner Angestellter verdienen - können Polizisten wie auch andere Beamte des Staates „ihr kärgliches Gehalt aufbessern“. Mit anderen Worten, sie dürfen ruhig korrupt sein und kleinere Verbrechen fallen weiter nicht auf. Es kann allerdings vorkommen, dass ein Polizist, den man beim massiven Drogenhandel erwischt, auch mal feststgenommen wird, wie das in Chiang Mai geschah. Bei den Ermittlungen bemerkte man, dass er mehrere Luxuskarossen, mehrere Häuser und vierzig Millionen Baht auf der Bank hatte. Die fielen vorher bei einem Polizisten nicht auf, scheinen also zum normalen Alltagsleben von Polizisten zu gehören.

Jener Feldwebel, der beschuldigt wurde, am 9. September 2005 in Kanchanaburi zwei englische Touristen erschossen zu haben, stellte sich am 7. Oktober 2005, wurde verhaftet und hat gestanden. Darauf wurde er Anfang November 2005 gegen Zahlung einer Million Baht Kaution trotz eines Einspruchs der Staatsanwaltschaft entlassen. Es scheint für einen Feldwebel der Polizei gar nicht ungewöhnlich zu sein eine Million Baht zahlen zu können, so wie es für ein Gericht nicht ungewöhnlich ist, einen des Mordes verdächtigten Polizisten zu entlassen, auch wenn er schon gestanden hat. Am zweiten Dezember 2005 erschien der Polizist vor Gericht und erklärte trotz seines früheren Geständnisses, er sei unschuldig. Er wurde vom Richter wieder entlassen, soll sich aber in regelmäßigen Abständen bei seinen Kollegen von der Polizei melden. Wahrscheinlich hat er ihnen bei den Kameradentreffen gefehlt.

Das kürzlich vorgestellte Ergebnis einer in Bangkok durchgeführten Studie ergab, dass Korruption ein Bestandteil des Alltagslebens von Polizisten ist. Manche Spielhöllenbetreiber - so erfährt man aus dieser Studie - müssen an die Leiter von Polizeistationen jeden Monat zwischen einer und drei Millionen Baht entrichten, ergab die Studie, und dass die Beamten der unteren Ränge am ehesten zur Korruption neigen, aber nur etwa 20 Prozent von ihnen jemals irgendwie bestraft werden.

Es ist verständlich, dass die Polizisten bei einer derartigen Konzentration auf die Gehaltsverbesserungen die unwichtigen Nebensächlichkeiten außer Acht lassen müssen, wie etwa die Durchsetzung der Gesetze und den Schutz der Bevölkerung. Was mich so ungemein stört, ist, dass ich nie wissen kann, ob der eine, dem ich gerade gegenüberstehe, nicht vielleicht doch ehrlich ist. Aber vielleicht sind sie deshalb meist zu Zweit unterwegs.

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