Freitag, 12. August 2011

Ein neuer Erfolg für die Schulbildung

©thaianonymus2005

In der Südostasien-Zeitung las ich, dass etwa 10.000 oder rund ein Drittel aller Grundschulen nicht genügend Toiletten haben und 44.194 Toilettenbecken installiert werden müssen. Ich bin sicher, dass dieser notdürftige Zustand eine tiefe Einsicht in das thailändische Schulsystem und die Reform fördert.

Der o.a. Artikel ist äußerst aufschlussreich gewesen, besonders dann, wenn man berücksichtigt, was nicht bekanntgegeben wurde und folglich nicht drinsteht. Seit vielen Jahren bemüht sich die Regierung mittels Kommissionen und Unterkommissionen mit Ausschüssen und Unterausschüssen ganz besonders in den Medien um eine umwälzende Bildungsreform.

Die ist dringend erforderlich, weil seit noch mehr Jahren bekannt ist, dass in Thailand hohe Arbeitslosigkeit herrscht, gleichzeitig aber ein Mangel an Arbeitskräften, der so groß ist, dass Industrien keine Arbeiter finden und verschiedene ausländische Industrien es vorziehen, in Malaysia, China und anderen asiatischen Ländern zu investieren, weil es dort leichter ist, ausreichend vorgebildete Arbeiter einzustellen. Mit anderen Worten: Die an den thailändischen Grundschulen durchgeführte Ausbildung ist nicht ausreichend, um in der Industrie arbeiten zu können. Weiterführende Aus-bildungsangebote sind praktisch nicht vorhanden; sie sind lediglich ausreichend, um mit einigen Fotos in den Medien berichten zu können, dass es welche gibt.

Es heißt, dass die Regierung kein Geld für bessere Schulen und eine weiterführende Bildung hat. Deshalb müssen die aus der Grundschule im Alter von zwölf Jahren Entlassenen ohne jegliche Möglichkeit einer weiteren Bildung oder Ausbildung warten, bis sie alt genug sind, um eine Stelle als wahrlich ungelernte Hilfsarbeiter zu finden. Die Aussicht auf Arbeit ist aber gering, weil sie als Wartende keinerlei Fähigkeiten erlernen konnten. Sie sind keine Schüler, keine Praktikanten und keine Arbeiter. Sie sind Wartende. Die Regierung zeigt sich erstaunt darüber, dass die Wartenden nichts tun, als Warten. Sie warten und hängen in Gruppen zusammen, vertreiben sich die Zeit und oftmals das Leben mit Aggressionen und mit Drogen. Ein Mensch, der nichts weiter tun kann, als zu warten, fühlt sich entsetzlich, das dürfte wohl jedem bekannt sein, der schon einmal länger warten musste, auch dann, wenn es keine vier oder sechs Jahre waren. Aber die Regierung hat kein Geld, um hier Angebote zu unterbreiten, die Kinder für etwas zu interessieren, sie etwas lernen zu lassen. In China hat man das Geld, deshalb findet man dort auch ausreichend Fachkräfte, als auch einen außerordentlichen Wirtschaftsaufschwung. Aber Thailand ist ein armes Land, das sich keinen Wirtschaftsaufschwung leisten kann. Die Regierung braucht das Geld vermutlich zum Einfangen der Wartenden, der Hilflosen und Arbeitsunfähigen, die Drogen nehmen. Die werden dann mit dem fehlenden Geld gesucht, gefangen, verurteilt und jahrelang durch liebevolle Beamte versorgt und verpflegt. Oder zerbrochen. Wenn sie nicht gerade bei einem Drogenkrieg der Regierung erschossen werden.

Seit vielen Jahren ist bekannt, dass begüterte Eltern ihre Kinder auf internationale Schulen oder ins Ausland schicken müssen, wenn ihre Kinder lebensfähig werden sollen. Das Bildungsministerium ist nicht bereit, ausländische Erfahrungen zu übernehmen, weil hierbei angeblich nicht die Eigenheiten des thailändischen Wesens und der thailändischen Kultur berücksichtigt werden. Welcher Kultur? Könnte es sein, dass die für die Volksbildung Zuständigen diese Kultur, die Bildung oder Beides nicht gut genug kennen, um sie in einer Bildungsreform zu berücksichtigen?

Der thailändische Minister für Bildung hat sich für die Prügelstrafe ausgesprochen (wohl wegen des thailändischen Wesens und der besonderen Kultur). Er ist überzeugt, dass mit dem an thailändischen Schulen geübten Auswendiglernen nichts verkehrt ist. Nun ja, das hat er sicher auswendig gelernt und nicht darüber nachgedacht. Aber Ministerpräsident Thaksin hatte das Amt des Bildungsministers auch einmal übernommen. Der hat gar nichts gesagt. Vielleicht fiel ihm nichts Entsprechendes ein, was er auswendig gelernt hatte. Das Dilemma ist das, dass man in der heutigen Wirtschaft und in der Industrie denkende Arbeiter braucht, während eine denkende Bevölkerung recht unbequem sein kann und offensichtlich gefürchtet wird. Wie aber soll man denkende Arbeiter schaffen, ohne gleichzeitig eine denkende Bevölkerung heranzuziehen?

Die Bildungsreform hatte bereits einen Höhepunkt erreicht. Nicht, dass man festgestellt hätte, schlecht zu unterrichten ist ebenso teuer, wie gut zu unterrichten und die Lehrer besser ausgebildet hätte. Dieses Problem wurde gelöst, indem man den Lehrern bessere Diplome gab, dank derer sie nun besser lehren. Der Höhepunkt war, als man bemerkte, dass den Schulhöfen Mauern fehlen. Und er endete, als man sah, dass an dieser Schulreform lediglich einige Beamte, Schuldirektoren und Bauunternehmer profitiert haben.

Und nun hat man einen neuen Höhepunkt der Bildungsreform: Man hat bemerkt, dass man beim Bau der Schulen die Toiletten vergessen hat (das ist wohl geschehen, weil man nicht denken konnte, dass viele Menschen viele Toiletten brauchen, sondern auswendig gelernt hat, dass ein Mensch eine Toilette braucht und deshalb eine Toilette eingeplant hat). Nun werden Beamte, Schuldirektoren und Bauunternehmer sich über diesen neuen Erfolg der Schulreform sicher freuen. Besonders, nachdem die Zäune schon gebaut sind und keine neuen Einnahmen für arme Beamte in Aussicht standen. Sicher wird ein weiterer Schritt der Schulreform darin bestehen, auf den Schulhöfen Platten zu verlegen.

Dennoch empfinde ich den Bau der Toiletten als einen wesentlichen Schritt auf dem Weg zu einer gelungenen Schulreform, denn nach dem Bau der Toiletten wird man sicherlich nachsehen und leicht herausfinden können, was bei der Schulreform herausgekommen ist.

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