Montag, 15. August 2011

Ein Kredit brachte den Wohlstand

©thaianonymus 2011

Es ist schlimm, wenn man kein Geld hat. Dauernd muss man sparen, muss auf jeden Baht achten und dennoch reicht das Geld nicht zum Leben. Da hilft nur ein Kredit, denn man muss investieren, um Geld verdienen zu können. Und wenn man den Kredit hat, kann man endlich einmal richtig Geld ausgeben.

Pani lebt schon lange in Pattaya. Vor fast dreißig Jahren kam sie aus der Provinz Udon Thani, um hier ihr Glück zu suchen. Es war sehr schwer, damals. Pattaya war ein Ort, in dem gerade die ersten Hotels gebaut wurden und der Tourismus hielt sich noch in Grenzen. Erst nach dem Bekanntwerden Pattaya‘s als neuem Urlaubsressort und dem Zustrom vieler internationaler Gäste in den achtziger Jahren wurde das Leben etwas leichter. Dank des zunehmenden Interesses jener Touristen, die die thailändische Kultur ausgerechnet in Pattaya kennenlernen wollten, wurde es nicht nur möglich, ein Leben ohne Hunger und krasse finanzielle Probleme zu führen, vielmehr konnte man bei einem sparsamen Lebensstil überdies etwas Geld für schlechte Zeiten auf die Seite legen, was Pani auch regelmäßig tat. Dabei konnte sie zwar keine Reichtümer anhäufen, aber sie brachte eine Summe zusammen, auf die sie voller Stolz blicken konnte, als sich bemerkbar machte, dass das Publikumsinteresse an ihrer Zuneigung bereits seinen Höhepunkt überschritten hatte.

Pani suchte Ruhe. Deshalb wollte sie das aufregende internationale Leben hinter sich lassen und wieder in ein typisch thailändisches Leben einsteigen, so wie sie es von ihrer Kindheit her kannte. Deshalb mietete sie ein kleines Restaurant, in dem sie Thailändische Küche und Spezialitäten des Isan anbot, was ihr zwar garantierte, dass sie fast ausschließlich thailändische Gäste aus dem Isan hatte, aber leider nicht, dass sie auch hohe Einnahmen haben würde.

Wenn sich das Sprichwort bewahrheitete, das behauptet „redliche Arbeit ernährt seinen Mann“, so lag das nur daran, dass Pani in der Küche arbeitete und gar keine Zeit hatte, Geld auszugeben. Tatsächlich war das Leben sehr mühsam und es blieb am Monatsende nichts übrig. Früh um sechs Uhr öffnete sie das Lokal, um thailändischen Kaffee mit Gebäck und Reissuppe anzubieten, bediente den ganzen Tag über einzelne Gäste, bis sie schließlich gegen Mitternacht jene Gäste verabschiedete, die einen gelungenen Tag oder eine schöne Feier traditionell mit einer Nudelsuppe und etwas Alkohol beschlossen, um dann nach Hause zu gehen.

So hatte sie zwar den ganzen Tag über Arbeit, aber meistens war nur einer ihrer drei Tische besetzt und so rentierte sich ihre Arbeit nicht sonderlich. Schon lange hatte sie sich überlegt, ob sie nicht ihr Lokal vergrößern sollte, indem sie eine Wand zu einem großen Nebenraum abreißt, in dem nur drei Kisten mit Getränken standen. Aber dann hätte sie das ganze Lokal renovieren und neue Tische und Stühle kaufen müssen. Zwar war sie auch schon seit langer Zeit der Meinung, dass eine Renovierung nötig sei, um dem Lokal ein freundlicheres und helleres Aussehen zu geben, die Küche etwas besser vom Gästeraum zu trennen und das Lokal ordentlicher zu gestalten, aber sie hatte sich immer vor den Ausgaben gescheut, die so eine Umgestaltung mit sich brachte.

Die große Wende kam mit einem Brief von der Bank, in dem ihr mitgeteilt wurde, dass diese sich für ihre Treue bedankt und ihr aus diesem Grunde einen Kredit von einhundert tausend Baht gewährt, über den sie schon wenige Tage nach einer problemlosen Beantragung verfügen kann.

Das war die Lösung aller Probleme. Sofort ging sie zur Bank, stellte den Antrag, erklärte, dass sie mit dem Geld ihr Lokal renovieren und erweitern wollte und erhielt die Mitteilung, dass sie das Geld in zwei oder drei Tagen bei der Bank abholen kann.

Das musste selbstverständlich gefeiert werden. Sofort meldete sie sich bei zwei Freundinnen und dem Ehepaar vom Markt, bei dem sie immer ihr Fleisch kaufte, und lud sie zu einem Festessen im „Nang Nual“ ein, das oft als das beste Fischrestaurant Pattaya‘s bezeichnet wird. Natürlich kamen auch ihre beiden fast erwachsenen Kinder mit zu dieser Feier. Bald wurde Pani nach dem Grund dieses Festessens gefragt, denn es war zweifellos ein außergewöhnliches Ereignis. Da sie schon immer einmal richtig großes Glück haben wollte, fiel ihr ein, dass ein Kredit eigentlich gar nicht so ein großes Glück darstellte und so zog sie vor, feierlich zu erklären, dass sie gerade eine sechs stellige Summe in der Lotterie gewonnen habe. Das war selbstverständlich ein sehr triftiger Grund zum Feiern.

Während des Essens wurde die Planung der Renovierung durchgeführt. Man kalkulierte den Preis der Umbauarbeiten sowie die Art und den Preis eines neuen Anstrichs. Dann kam jemand auf die Idee, dass Pani sich nun auch einen gebrauchten Pick Up kaufen könnte, womit das Einkaufen für sie sicherlich viel leichter wird.

Das erinnerte den siebzehnjährigen Sohn daran, dass sein Motorrad schon vor drei Monaten nach einem heroischen Kampf mit einem Bordstein und einem Straßenbaum als irreparabel diagnostiziert wurde. Doch eine der Freundinnen Panis bot das Motorrad ihres Sohnes an, der sich ein Auto gekauft hatte, weil er jetzt in Sriracha arbeitet und das Motorrad nicht mehr braucht. Und das Metzgerpaar bot eine preiswerte Kühltruhe zum Kauf an, weil es eine neue, größere Kühltruhe kaufen wollte. Da die Arbeit in einem großen Restaurant viel leichter ist, wenn man eine große Kühltruhe hat, das Angebot von guten Freunden kam und so günstig war, sagte Pani sofort zu.

Es war schwer, zu warten, bis das Geld auf der Bank lag, aber inzwischen überlegte Pani sich, wie das Geld am besten anzulegen ist. Dabei fiel ihr ein, dass ihre Tochter, die in Bangkok eine kaufmännische Ausbildung mitmachte, auch etwas erhalten muss, wenn ihr Sohn ein Motorrad bekommt. Sie hatte schon länger nach neuer Kleidung, einem Mobiltelefon und einer Couch gefragt. Das erinnerte sie an ihr eigenes Bett, das schon sehr alt war und so zog sie sofort los und kaufte ein neues, großes Bett mit einer guten Matratze. Die konnte sie von ihrer eisernen Geldreserve bezahlen, weil der Kredit ja bald auf ihr Konto kam.

Nun musste sie die Party planen, um den neuen Wohlstand in großem Stil mit Freunden und Gästen zu auf der Bank lag. Sie fuhr zum Metzgerpaar und man vereinbarte, das Fleisch für diese Party am nächsten Tag zusammen mit der Kühltruhe zu liefern.

Tatsächlich kam die Kühltruhe nur zwei Stunden nach dem Bescheid, dass das Geld auf der Bank lag. Nun musste sie noch die restlichen Sachen für die Party beschaffen, zu der sie noch viele Gäste einladen wollte. Dabei bemerkte sie, dass ihr die Laufereien doch Mühe machten. Zwar befanden sich die Läden in ihrer Nähe, deshalb hatte sie bisher kein Fahrzeug benötigt, zumal auch ihre Wohnung nur fünf Minuten vom Restaurant entfernt war, aber die Leute, die sie kannte und einladen wollte, wohnten weit auseinander. Da die aber auch als Gäste in ihr neues Restaurant kommen sollten, musste sie mit ihnen Kontakt halten. Kurz entschlossen kaufte sie ein schönes Motorrad, das sie sich dank des Kredites nun endlich erlauben konnte und ihr Leben bestimmt sehr erleichterte. Fast mühelos erreichte sie die Leute, die sie einladen wollte und war sehr froh über ihre Entscheidung, sich nicht einen gebrauchten Pick Up gekauft zu haben, denn mit dem Motorradkauf hatte sie wenigstens fünfzigtausend Baht gespart. Ob dieser Summe wurde ihr etwas schwindelig und sie bemerkte, dass der erhaltene Kredit eigentlich gar nicht so groß war, doch die Tatsache, dass sie mit dem Motorrad ja viel Geld gespart hatte und der Stolz, ein besonders schönes neues Motorrad als Zeichen ihres Wohlstandes vorzeigen zu können, beruhigten sie wieder.

Doch der Gedanke an die Party ließ sie nicht los. Sie musste etwas Besonderes bieten, vielleicht ein Zeichen der Erneuerung, das auf die Verbesserungen des Restaurants hinwies. Vielleicht ein Stereoanlage mit Lautsprechern für das erweiterte Lokal, dachte sie und ließ sich in einem Fachgeschäft beraten. Das hatte zur Folge, dass sie neben einer großen Stereoanlage auch noch ein Fernsehgerät mit Großbildschirm kaufte, an das man einen zweiten Bildschirm anschließen konnte, damit auch alle Gäste fernsehen konnten.

Als sie mit ihrem neuen Motorrad zu einer ihrer Freundinnen fuhr, begrüßte diese sie damit, dass sie etwas besonders Schönes für ihr neues Restaurant hat und zeigte zwei antike, übermanns hohe Spiegel in einem breiten, handgeschnitzten Hartholzrahmen. Pani kaufte sie sofort, weil sie so schön waren, dass sie in dem neuen Restaurant bestimmt auffielen, und weil sie eigentlich gar nicht teuer waren.

Die Party war ein Riesenerfolg und ging noch lange weiter, nachdem man um Mitternacht die Ballons zum Platzen gebracht hatte. Die waren wohl für einen großen Teil des Erfolgs verantwortlich, denn es waren viele Leute erschienen, die nicht eingeladen und völlig unbekannt waren, darunter auch einige Ausländer. Zu Beginn der Party erhielt der Sohn sein Motorrad, die Tochter erhielt Geld für Kleidung, ein Mobiltelephon und eine Couch und Pani führte ein neues Kostüm aus handgewebter Seide vor, das sie sich extra für die Party hatte schneidern lassen.

Schon beim Essen wurde der neue Fernsehapparat vorgeführt und dazu hämmerte dann die neue Stereoanlage in voller Lautstärke Tanzmusik des Isan bis in den frühen Morgen. Es wurde getanzt und getrunken, dass es eine Freude war und man sehr deutlich erleben konnte, dass das Leben doch viel schöner ist, wenn man Geld ausgeben kann. Die Party bot das einmalige Erlebnis eines Lebens in Wohlstand. Sogar ein schlanker Thai namens Wirachai zeigte Interesse an Pani und tanzte sehr oft mit ihr, wo Thailänder doch sonst vor alleinstehenden Frauen mit Kindern einen größeren Abstand halten. Dies brachte Pani auf den Gedanken, dass sich vielleicht ihr angeblicher Lotteriegewinn weiter herumgesprochen haben könnte, als es ihr lieb war.

Nach dem Essen eröffnete das Metzgerpaar, dass es einen Bekannten hat, der zufälligerweise gerade sechs große massive Holztische mit den entsprechenden Stühlen aus einer Resturantauflösung bei sich stehen hat, die sicher gut in Panis neues Restaurant passen und nicht teuer sein können. Man beschloss, gleich bei diesem Mann vorbeizufahren und Wirachai erklärte sich bereit, mitzufahren, da er etwas von Holzmöbeln verstünde. Nachdem der Preis ausgehandelt worden war, kaufte Pani die Möbel, wollte sie aber erst am nächsten Tag bezahlen, weil sie so viel Geld nicht bei sich trage. Wirachai, der bei den Kaufverhandlungen kein Wort gesagt hatte, erklärte sich bereit, das Geld vorzustrecken, er müsse nur erst nach hause gehen, um es zu holen. Man verzichtete, da die Möbel ohnehin erst am nächsten Tag abtransportiert werden könnten. Die Möbelverkäufer wurden zur Party eingeladen, um den Verkauf und das neue Restaurant gebührend zu feiern und so fuhren sie gemeinsam zurück, um das Leben und den Wohlstand zu genießen. Zuvor jedoch erhielt der Möbelverkäufer einen Barscheck für seine Ware.

Zunächst war es ein Lotterieverkäufer, der von dem Wohlstand profitierte. Die leicht angeheiterten Gäste wollten auch einmal so viel Glück haben wie Pani, deren Wohlstand ja offensichtlich war. Und da Pani ihr Glück mit der Lotterie gemacht hatte, mussten sie es jetzt auch einmal versuchen. Selbstverständlich musste auch Pani jetzt wacker zugreifen, nachdem ja bewiesen war, dass die Lotterie ihr großes Glück gebracht hatte, deshalb kaufte sie für rund dreitausend Baht Lotterielose. Vielleicht würde sie mit einem dieser Lose ja gewinnen, hoffte sie.

Doch nach dem Kauf der Lose beschlich sie ein ungutes Gefühl. Nie hatte sie Geld für die Lotterie ausgegeben, weil sie genau wusste, dass das Geld so gut wie weggeworfen war, alle Leute die sie kannte, mehr für Lose ausgegeben hatten, als die Gewinne ausmachten und immer nur die Lotterie gewann. Und nun hatte sie dreitausend Baht für Lose ausgegeben. Könnte es da nicht sein, dass sie in der Euphorie der Kreditgewährung etwas leichtfertig mit dem Kredit umgegangen war? Doch die Party war noch nicht zu Ende, jetzt galt es noch, sich zu vergnügen, nur die rechte Stimmung kam bei ihr nicht mehr auf. Ihr war jetzt gar nicht mehr feierlich zumute.

Als alle Gäste sich verabschiedet hatten, verschloss sie das Lokal, verzichtete auf das Motorrad und kam unbeschadet nach hause. Doch am nächsten Morgen rechnete sie alle Ausgaben zusammen. Sie hatte den gesamten Kredit und noch fast fünfzigtausend Baht von ihrer eisernen Reserve ausgegeben. Jetzt hatte sie noch sechs-tausend Baht auf der Bank, nicht genug für den Umbau. Aber sie konnte ja die angeschafften Sachen in den Nebenraum stellen, bis sie das Geld für den Umbau hatte. Und es war doch so eine schöne Zeit im Wohlstand gewesen.

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