Montag, 15. August 2011

Es kann nur an der Uniform liegen

©thaianonymus2011

Die thailändische Gesellschaft ist nicht frei von Problemen. Doch dank tief schürfenden Denkens finden die Regierenden immer eine Lösung. Wenn Oberschüler sich gegenseitig umbringen, finden sie schon nach nur zwanzig Jahren heraus, dass sie nur neue Uniformen brauchen, um die Aggressionen zu beheben.

Rivalitäten sind nicht neu. Geradezu berühmt sind die Kämpfe zwischen den Studenten von Cambridge und Oxford. Sie werden in Ruderregatten, Kricket und anderen Sportarten ausgetragen, um zu beweisen, an welcher Universität die besseren Studenten sind. Die deutschen Schüler und Studenten sind dafür zu stur. Die tragen ihre Rivalitäten in Forschungsprojekten aus. Als ob man mit Forschungsergebnissen herausfinden könnte, wer mehr gelernt hat oder ein besserer Student ist. Da sind die thailändischen Schüler ein gutes Vorbild für Erfindungsreichtum. Selbstverständlich können sie nicht mit Forschungsergebnissen rivalisieren und es scheint sicher, dass sie das auch gar nicht wollen. Was sollen die armen Menschen aber tun, wenn sie kämpfen wollen, aber keine Ruderboote haben und weder Kricket noch Baseball spielen können? Sicher werden sie dann das tun, was sie am besten können. Messer, Schlagstöcke und Revolver kaufen und die Anderen umbringen.

Das Problem in Thailand ist viel älter, doch sind es etwa zwanzig Jahre, seit die angehende Elite Thailands immer wieder durch die Schlagzeilen huscht. Oberschüler und Berufsschüler im Bandenkrieg. Oberschüler, die sich gegenseitig mit Messern und Schusswaffen umbringen. Auf der Straße, in Parks, in städtischen Bussen. Die Regierung hat selbstverständlich sofort etwas unternommen. Es gehört zur Tradition thailändischer Regierungen, alles, was ihnen nicht passt, zu verbieten. Also hat man den Oberschülern die Bandenkriege und das Morden verboten. Der Erfolg hielt sich allerdings sehr in Grenzen. Das ist bei allen Verboten so, aber die Regierenden können das kaum wissen, denn sie zählen wohl ihre Erfolge an den Inhaftierten und die Zahlen sind überzeugend. Aber dann gibt es selbst in der Regierung Leute, die Zeitung lesen, oder doch zumindest die Schlagzeilen. Und so wissen sie, dass die Bandenkriege weitergehen.

Freilich gibt es Menschen, die daran denken, herauszufinden, warum diese Bandenkriege und Morde stattfinden, aber ich bin sicher, dass die Regierenden hier nichts Ab normales finden konnten, nichts sahen, was nicht zur thailändischen Gesellschaftsordnung gehört. Denn die Anderen werden gehasst, bekämpft und ermordet, weil sie die Anderen sind.

Ich gebe zu, dass dieser Gedanke fremd erscheint. Da das Tausendjährige Reich nur vierzehn Jahre dauerte, war ich zu jung, um die in dieser Zeit geltende Gesellschaftsanschauung zu lernen und ich habe viele Jahre in Thailand gebraucht, um sie als normal zu verstehen. Das fiel mir allerdings etwas leichter, als ich an Sportveranstaltungen dachte, an jene Spiele, bei denen sich der Sportgeist darin zeigt, dass die ‘eigenen’ Sportler die besten sind und die anderen ausgebuht und ausgepfiffen werden, weil sie von woanders kommen, von einer anderen Mannschaft. Sportsgeist à la Idi Amin. So fiel es mir etwas leichter, zu verstehen, dass es eine Norm und folglich normal sein kann, andere Menschen zu hassen, zu bekämpfen und umzubringen, weil sie von woanders kommen, von einer anderen Schule, oder - noch viel schlimmer - aus einem anderen Land.

Da diese Einstellung und das entsprechende Verhalten offensichtlich zur thailändischen Kultur und ganz sicher zur thailändischen Tradition gehören und von den Regierenden als auch von den für die Volksbildung Zuständigen als selbstverständlich verstanden wird, ist verständlich, dass sie nichts dagegen unternehmen können und wollen, denn kaum jemand bekämpft eine Einstellung, die er selbst hat und für richtig hält. Vielleicht fehlen auch die erforderlichen Informationen und das entsprechende Wissen, um zu bemerken, dass der Hass auf andere Menschen, auch Faschismus genannt, zu Aggressionen und Gewalttaten führen kann.

Nun kann man den Regierenden aber nicht vorwerfen, dass ihr langjähriges Denken nicht zu einem Ergebnis geführt hätte und es ist nur der Regierung unter CEO Thaksin zu verdanken, dass endlich eine Lösung gefunden wurde. Sicher war es das hochdotierte Ministry for Cosmetics and Public Relations das die Lösung fand: Alle Oberschüler müssen nun die gleiche Uniform anziehen. Das ist absolut logisch. Zwar werden die Anderen immer noch gehasst, weil sie die Anderen sind, aber man erkennt sie nicht mehr. Diesem Gedankengang folgend sollte ich mir vielleicht ein blaues kragenloses Hemd, blaue Baumwollhosen und flache Gummi-latschen kaufen, dann sehe ich aus wie ein Thai. Ich bin mir nur noch nicht sicher, ob das hilft, denn die mögen sich ja auch nicht, wenn sie von woanders kommen oder anders sind.

Mir ist zwar keine Erhebung bekannt, nach der das Tragen von Uniformen das Lernvermögen oder gar das Denken fördert und meine persönlichen Erfahrungen lassen eher das Gegenteil vermuten. Doch sicher hat die Regierung einen triftigen Grund für das Tragen von Uniformen. Viel-leicht hat man etwas herausgefunden, was ich nicht weiß. Wenn alle Oberschüler die gleiche Uniform tragen müssen, weil sie Bandenkriege führen, so muss das einen Grund haben. Es ist schon länger bekannt, dass bestimmte Uniformen das menschliche Verhalten beeinflussen. Vielleicht hat die Regierung nun herausgefunden, dass Uniformen in bestimmten Farben auf das Gemüt des Trägers beruhigend wirken.

Das maß es sein. Der Gedanke überzeugt mich und lässt mich sofort an das Wohl der Gesellschaft und das Ansehen Thailands denken. Hatte ich früher gedacht, dass die Polizei schmucke schwarze Uniformen tragen sollte, womit man sie vielleicht noch aus Deutschland mit Restbeständen alter Zeiten versorgen könnte, so hatte ich doch die Einwirkungen auf die Uniformträger übersehen. Deshalb bin ich nun sicher, dass Polizisten freundliche Uniformen tragen sollten, vielleicht zart rosa.

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